Februar 2011: Das grosse Abenteuer beginnt. Erschöpft, aber überglücklich darüber am anderen Ende der Welt angekommen zu sein, erreiche ich den Flughafen in Nadi. Gemeinsam mit vier weiteren Teilnehmern springe ich von nun an fast jeden Tag ins kalte Nass. Sechs Wochen tauchen, zu Gunsten der Unterwasserwelt. Dass hier in Fiji ein anderer Wind weht, bemerke ich schnell. Es ist ein feuchtwarmer. Ich meine dies aber auch im übertragenen Sinne. Hier läuft nämlich alles etwas gemächlicher. Da bleibt den Menschen tatsächlich auch noch etwas extra Zeit anderen zu zulächeln, sie zu begrüssen oder gar mit ihnen zu schwatzen. Kommt man aus der kühlen Schweiz, mag das auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich erscheinen. Ungewöhnlich schön. Beim ersten Ausflug in die Stadt springen Schulkinder in Uniformen dem Bus hinterher, winkend und schreiend. Nicht, dass sie den Bus verpasst hätten. Sie erfreuen sich lediglich über den Anblick von Touristen. Offenbar scheint dies zu jenem Zeitpunkt noch etwas Aussergewöhnliches zu sein. Die Freundlichkeit der Einheimischen reisst auch in den kommenden Wochen nicht ab. Wir werden stets mit einem herzlichen „Bula“ in Empfang genommen, das breite Lachen übers ganze Gesicht gibts kostenlos dazu. Ab und an liegt sogar ein freundschaftliches Schulterklopfen drin. Der Kopf aber, gilt als heilig und darf keinesfalls berührt werden. Bei einem 1-wöchigen Aufenthalt in einem kleinen Dorf werden wir in die Gebräuche und die Traditionen der Inselbewohner eingeführt. Schnell stellt sich heraus, dass in den Dörfern eine strenge Kleiderordnung herrscht. Wir tragen weder Sonnenbrillen noch Hüte, dies gilt nämlich als höchst unfreundlich und ist lediglich dem Dorfoberhaupt gestattet. Die Schultern, sowie die Knie sind stets bedeckt zu halten. Aus diesem Grund tragen sowohl Männer wie auch Frauen den Sulu, ein Sarong ähnlicher Rock.
Eine Kavazeremonie gehört zu jedem Fijibesuch dazu. Ein Gebräu welches im westpazifischen Raum weit verbreitet ist und aus der Wurzel des Pfefferbaumes gewonnen und zu Pulver verarbeitet wird. Mit Wasser angerührt ergibt es schliesslich ein Getränk, dass im Geschmack eher an eine Schlammbrühe erinnert, als an etwas Genüssliches. Zum Glück geht es aber weniger um den Geschmack als darum zwei Gruppen zu vereinen, welche den Raum letztendlich als Freunde verlassen.
August 2016: Zurück im Paradies. Babu heisst er, der kleine Mann mit offensichtlich indischen Wurzeln. Tatsächlich bestehen knapp 40% der fijianischen Bevölkerung aus Indern. Die indischen Vorfahren wurden Ende des 18. Jahrhunderts von der britischen Kolonialmacht rekrutiert, um im Zuckerrohrbau auf Fiji zu arbeiten. Wir begegnen Babu auf dem Markt. Hier wird nebst Gewürzen, Früchten und Gemüse vorallem Kava verkauft. Der Geruch der getrockneten Wurzel steigt uns schnell in die Nase. Babu will alles über uns wissen. Wie wir heissen, woher wir kommen, wie alt wir sind, wie lange wir in Fiji bleiben und die wichtigste aller Fragen: Ob wir schon Kava probiert hätten. Simu schaut mich etwas verduzt an. Offensichtlich ist ihm bewusst, was uns, ganz egal wie unsere Antwort lautet, bevorsteht. Tatsächlich will uns Babu etwas zeigen. Ohne die Aktion zu hinterfragen, folgen wir ihm durch Nadis Strassen. Wir sind keinesfalls naiv, höchstens etwas neugierig was uns erwartet. Ziel ist der hintere Bereich eines Souvenirshops. Der Boden ist mit geflochtenen Matten ausgekleidet, die hölzerne Kavaschale steht schon bereit. Babu rührt das Kavagebräu an, während er uns die Tradition erklärt. „Muss ich das jetzt probieren?“, Simu schaut mich etwas hilfesuchend an. „Da musst du jetzt wohl durch“, lautet meine Antwort. Wir befinden uns also in einem Souvenirshop und trinken Kava. In einem Souvenirshop! Wenn da mal keine anderen Absichten dahinter stecken. Tatsächlich, kaum ist die Schale leer gehts zum Geschäftlichen. Dumm nur, hat Babu mit uns die falschen Geschäftspartner erwischt. Wir versuchen ihm zu erklären, dass wir noch ein knappes Jahr mit unseren Rucksäcken unterwegs sind und der Platz darin etwas sehr beschränkt ist. Das will er aber partout nicht begreifen und so dreht er uns jeden noch so kleinen Krimskrams an. Oder versucht es zumindest. Auch wenn wir als Touristen als wandelndes Kapital gelten, hat er mit uns nicht das grosse Los gezogen. Dankend verabschieden wir uns. Die Enttäuschung ist Babu nun förmlich ins Gesicht geschrieben.
Mir fällt nicht erst nach diesem Erlebnis auf, dass der Tourismus seine Spuren hinterlassen hat. Es scheint mir, dass die Einheimschen das Lachen etwas verlernt haben. Vielleicht liegt es aber auch an den Naturgewalten, welche die Menschen auf Fiji über sich ergehen lassen mussten. Der Zyklon Winston fegte Anfang dieses Jahres in einer Geschwindigkeit über die Inseln, wie es noch keiner vor ihm tat. Über 40 Menschen verloren dabei ihr Leben. Die Schäden sind ein halbes Jahr danach auf den ersten Blick kaum mehr ersichtlich. Einzig von den Früchten fehlt jede Spur. Auf dem Markt befindet sich grösstenteils importierte Ware aus Neuseeland, die wenigen angebotenen Bananen sehen übel mitgenommen aus.
Wir nutzen den Aufenthalt auf Fiji um uns etwas Ruhe zu gönnen. Der Zeitpunkt ist gekommen, um Ferien vom Reisen zu machen. Also suchen wir uns eine schöne Unterkunft am Meer und verbringen die Tage fortan mit Kayakfahren, Tischtennisspielen, Billarden, Essen und Schlafen. Zum Baden ist es leider häufig zu kalt. Das überwiegend triste Wetter begünstigt unsere Regeneration. Und so schlafen wir als gäbs kein morgen mehr.